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"Was halten Sie von Kevin Kühnerts Enteignungsplänen?"

Von Arnold Vaatz

Heute bin ich sicher: Nichts hat dieses Land begriffen. Nun wollen sie alle Wohnungen verstaatlichen. Und die Konzerne. Wie wir es schon mal hatten. Und fast gönne ich es den verwöhnten Jungspunden im Westen: Mal zehn Jahre DDR! Mal fünf Jahre Waschbecken statt Dusche!

Das Erniedrigendste an „30 Jahren deutsche Einheit“ ist nämlich, dass der Westen in seinem Marsch zurück zur DDR über alles, was wir über diese DDR zu berichten wissen, nur blöde grinst - als hätte es unser Leben, Jahrzehnte der Abschottung, Bevormundung und inneren Emigration, nicht gegeben. Mit „wir“ meine ich nicht die Nomenklatura. Nicht meinen Mitkolumnisten. Auf diese Stimmen hört der Wessi gern. Mit „wir“ meine ich die Normalos. Leute, die wie ich in einer nassen Wohnung hockten, mit stinkendem Treppenhaus und ohne Aussicht auf Besserung. Leute, die wegen jeder blöden Autopanne Gott und die Welt in Bewegung setzen, betteln und sich verbiegen mussten, bis eine Werkstatt sich ihrer erbarmte. Leute, die eines Tages einfach nur noch wegwollten. Oder meine Eltern, die zwar ein Haus hatten, aber nicht reinziehen durften, weil dort Mieter wohnten. Ganze Jahresgehälter haben sie hingeblättert für Dächer, Fassadenputz, Schornstein. Wenn Bekannte sagten: „Lass es doch einfach verfallen!“, antwortete mein Vater: „Ich bring’s nicht übers Herz.“

Aber genau dort wollen die Kühnerts hin. Bald haben wir dann wieder schöne niedrige Mieten. So niedrig, dass keiner, erst recht nicht der Staat, davon Wohnungen erhalten kann. Dann müssen Mietsubventionen her. Die Wohnungsverwaltungen müssen – wie Vater Staat selber - keinen Wettbewerb mehr fürchten und keine Leistung mehr bringen. Regnet es durchs Dach, dann heißt es: Sieh doch zu, wie du damit fertig wirst! Und die Wohnungen werden knapp.

Auch das VEB Autokombinat Süd mit seinen Zweigstellen in Ingolstadt, Neckarsulm und Stuttgart ist dann Staatseigentum, darf rote Zahlen schreiben und vom anstrengenden Weltmarkt verschwinden. Dann wachsen endlich wieder die Wartezeiten: Wer dann dran ist mit einem neuen Auto, aber eigentlich eine Wohnung braucht, der muss nur noch bei der Wohnungsverwaltung einen finden, der ein Auto braucht, und alles wird gut.